Monday, August 4, 2014

Dos and Donts im Umgang mit Betroffenen sexueller Gewalt

Wenn jede vierte bis siebte Frau (die Zahlen gehen ein wenig außereinander, aber sie sind in dem Spektrum zu finden) und auch ausreichend Männer (hierzu finden nicht so leicht Zahlen) Betroffene von sexueller Gewalt sind, dann hat wahrscheinlich jeder von uns im Freundes- und Verwandschaftskreis mehrere Betroffene - ob man es weiß oder nicht. Daher ist es auch wichtig, dass wir uns überlegen, wie wir reagieren könnten oder sollten, falls sich eine Betroffene an uns wendet. Durch "falsche", verletzende Reaktionen kann man bei Betroffenen einen immensen psychischen Schaden auslösen, der bis zur Retraumatisierung (= erneute Traumatisierung) und Suizidalität führen kann. Ihr braucht jetzt natürlich deswegen nicht in ständige Panik zu verfallen, dass eure Aussagen evtl. jemand in den Suizid treiben könnten. Jemanden ausversehen zu triggern, kann man nie ganz ausschließen, aber man kann auf sein Verhalten und seine Aussagen achten, und damit die Betroffenen sehr stärken und zusätzliche Verletzungen entgehen.
Diese Liste besteht nur aus einer Auswahl an Punkten, die mir spontan wichtig erschienen, sie kann aber gerne durch Kommentare ergänzt werden.



Hifreiche Aussagen und Verhaltensweisen im Umgang mit Betroffenen:


- Zuhören
- Fragen: "Was kann ich für dich tun? Was würde dir jetzt gut tun?"
- "Ich glaube dir."
- "Du bist nicht Schuld."
- "Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst."
- Die Betroffene im eigenen Tempo erzählen lassen
- Vor Umarmungen oder ähnlichen Berührungen: Fragen, ob man die Person berühren darf (falls die Betroffene kein Problem hat mit körperlicher Nähe, können Umarmungen ganz toll und beruhigend sein)
- Auf die eigenen Grenzen achten
- Bei bereits beendeter Beziehungsgewalt: Besser "Wie hast du es geschafft, ihn zu verlassen?" anstatt "wieso bist du nicht früher gegangen?"
- In Partnerschaften und Sex: Besonders drauf achten, dass die Betroffene sich beim Sex immer wohl fühlt. Wenn sie abwesend oder verstört aussieht oder man sich nicht sicher ist, pausieren und nachfragen. Immer wieder der Betroffenen das Gefühl geben, dass sie sicher ist, dass man ihre Grenzen respektiert und dass sie Kontrolle über das Geschehene hat. Respektieren, wenn ihr gewisse sexuelle Dinge oder die gesamte Sexualität schwer fallen und sie nicht dazu drängen/überreden irgendwas zu tun
- Sich über die möglichen psychologischen Folgen von sexueller Gewalt informieren (z.B. wissen was "Trigger" und "Flashbacks" sind)
- Sich über Vergewatigungsmythen und rape culture informieren
- Verstehen, dass sexuelle Gewalt immer schlimm ist und zur massiver Traumatisierung führen kann. Wissen, dass Betroffene nicht "einfach so" schnell mal drüber hinweg kommen können. Sexuelle Gewalt kann zu einer Jahre- oder Jahrzehntelangen Traumatisierung führen, und 100%ig "drüber hinweg" kommen Betroffene meist ihr Leben lang nicht (auch wenn es besser wird und man lernen kann damit zu leben)
- Verständnis für Verhaltensweisen von Betroffenen, die auf den ersten Blick rational gesehen schwer verständlich oder paradox erscheinen mögen: It's a normal reaction to an abnormal stressor.
- Die Verantwortung und Schuld für die Tat, ganz klar beim Täter suchen und immer wieder sagen, dass nur er schuld ist



Eher schädigende Aussagen und Verhaltensweisen im Umgang mit Betroffenen:

- Schuldvorwürfe/victim-blaming
- Fragen danach, was die Betroffene falsch gemacht haben könnte (eigene "schwierige" Verhaltensweisen im Zusammenhang mit sexueller Gewalt sind Betroffenen sowieso schon sehr bewusst und der Fokus auf ihnen verstärkt die ohnehin schon vorhandenen Schuldgefühle)
- "Wieso hast du dich nicht (mehrr) gewehrt? Wieso hast du diesunddas getan, anstatt jenes?"
- Der Betroffenen nicht glauben
- Entschuldigungen für den Täter suchen
- Die Betroffene zum Reden drängen/Ihn oder sie dazu drängen Details zu erzählen
- Zu Therapie oder Anzeige drängen. Eine erfolgreiche Therapie kann nur dann stattfinden, wenn der Betroffene stabil genug dafür ist und es von selbst will. Anzeigen sind nicht immer nur hilfreich, sondern können auch oft zur Retraumatisierung führen
- "Du warst feucht/hattest eine Erektion oder einen Orgasmus, dann heißt das, dass du es auch wolltest" (Der menschliche Körper reagiert automatisch auf Stimulation, unabhängig davon ob man es möchte oder nicht. Sexuelle Erregung ist kein Einvernehmen)
- "Sei doch froh, dass dich mal jemand ran lässt (besonders wenn der Täter attraktiv war)"
- "Bist du sicher, dass du es nicht vielleicht doch wolltest?"
- Das Geschehene klein reden/minimisieren, indem man z.B. sagt "so schlimm war es doch gar nicht", "stell dich doch nicht so an", "es hätte noch schlimmer kommen können". Nur der/die Betroffene kann beurteilen, was sich schlimm angefühlt hat. Übrigens benötigt ein Übergriff keine Penetration oder körperliche Gewalt um verletzend oder gar traumatisierend zu sein
- Vorwürfe für aus dem Trauma heraus resultierende Verhaltensweisen bei Betroffenen wie z.B.: Mit dem Täter in einer Beziehung bleiben, Promiskuität oder Enthalsamkeit, nicht darüber sprechen zu können usw.
- "Es gehören immer zwei dazu" (besonders beliebt bei Beziehungsgewalt, aber auch da gibt es nur einen Täter und ein Opfer)
- Vergewaltigungswitze

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